James Bain
James Bain saß 35 Jahre unschuldig im Gefängnis.
Der Fall
Verhaftung
Seine Freiheit verlor er am 23. März 1974. Warum man ihn festhält, erfährt er erst vier Tage später: Ein neunjähriger Junge habe ihn als seinen Entführer und Vergewaltiger identifiziert. Bain hatte für die Tatzeit ein Alibi. Er war bei einem Freund gewesen und hatte später mit seiner Schwester zu Hause ferngeschaut. Auch hatte man ihm nach der Tat kein Blut und keine Fingerabdrücke abgenommen - das geschah erst einen Tag vor dem Prozess.
Beweise
Identifizierung durch das Opfer
- Das Opfer gab der Polizei eine Beschreibung seines Vergewaltigers, der sich "Jimmy" nannte und sehr prägnante Koteletten hatte. Der Onkel des Opfers gab an, dass die Beschreibung auf Jimmy Bain passte. Die Polizei zeigte dem Opfer einige Fotos. Bain's Foto zusammen mit Fotos von vier oder fünf anderen Männern. Nur einer von ihnen hatte Koteletten. Der Forderung der Polizei, das Foto von James Bain auszuwählen, kam das Opfer schließlich nach.[1]
FBI-Serologie
- Aus den Samenspuren auf der Kleidung des Opfers wurde festgestellt, dass der Vergewaltiger die Blutgruppe B hatte. Bain hatte die Blutgruppe AB. FBI Analyst, William A. Gavin erklärte damals, dass damit Bain nicht als Täter ausgeschlossen werden kann.[1] (Serologieexperte Dr. Richard Jones: "Das ist Unfug, damit wäre Bain nicht als Täter in Frage gekommen.")
Alibi
- Bain war am frühen Abend des 4. März 1974 mit Freunden unterwegs und kam um 22:30 nach Hause. Von 22:30 bis Mitternacht, als die Polizei kam, sah Bain mit seiner Schwester fern. Damit wäre er als Täter nicht in Frage gekommen.[1]
Verurteilung
Die Anklage stützte sich vor allem auf die Aussage des ebenfalls farbigen Jungen. Dieser hatte zu Hause erzählt, der Täter habe ihn auf einem roten Moped entführt, vergewaltigt und gesagt: "Mein Name ist Jamie." Mit ihren Ersparnissen engagierte Bains Familie einen der vermeintlich besten Anwälte der Stadt. Es half nichts. Am Ende lautete das Urteil lebenslang mit dem Zusatz: Keine vorzeitige Entlassung vor 25 Jahren. James Bain hätte Berufung einlegen können. Doch wer in den USA erst einmal verurteilt ist, muss seine Unschuld beweisen. Mitte der siebziger Jahre, als es noch keine DNS-Analysen gab, als es Schwarze im Rechtssystem ungleich schwerer hatten, schien Bains Schicksal besiegelt. "Es war klar, dass ich keine Chance habe, meine Unschuld zu beweisen", sagt Bain.
Im Gefängnis
Im Gefängnis gab es Prügel. Bain hat erst nur zurückgeschlagen und dann angefangen, sich nicht nur zu wehren. "Wer dort überleben will, muss das tun", sagt er. "Du musst zuerst schlagen." Mehr als 20 Disziplinar-Verfahren wird die Gefängnisleitung am Ende gegen ihn eingeleitet haben. Entlassung nach 25 Jahren? Ausgeschlossen.
Wiederaufnahme
2001 erlaubt ein neues Gesetz in Florida die Untersuchung alter Kriminalfälle mit Hilfe von DNS-Tests. Bain fragt nach. Tatsächlich gibt es noch die Unterhose des Jungen, fast 30 Jahre lang hat man sie aufbewahrt. Bain beantragt einen DNS-Test. Er wird abgelehnt; ebenso der zweite, der dritte, der vierte. Die Gründe sind stets dieselben: Formfehler. Er habe Fristen verpasst, den Fall nicht ausreichend geschildert. Bain nahm sich keinen Anwalt. "Ich dachte, ich schaff das allein", sagt er. Als die vierte Ablehnung kam, erkennt James Bain: "Alleine schafft er das nicht". Ohne Seth Miller hätten sich die Gefängnistore für Bain vermutlich immer noch nicht geöffnet. Der Anwalt arbeitet für das Innocence Project, eine US-Organisation, die sich um die Aufklärung von Justizirrtümern bemüht. Durch Zufall erfährt Miller nach dem vierten Antrag von Bains Fall. Sie stellen einen fünften Antrag - diesmal mit Erfolg. Ein unabhängiges Labor darf die Unterhose untersuchen. Das Ergebnis: Bain ist nicht der Täter.
Entlassung des Unschuldigen
Die Justiz ordnet einen zweiten Test an, lässt das Beweisstück von einem staatlichen Labor prüfen. Das Ergebnis ist dasselbe. Danach geht alles sehr schnell. In einer eilig einberufenen Sitzung räumt der Staatsanwalt ein, James Bain habe nichts mit der Vergewaltigung des Jungen zu tun. Der Richter unterschreibt die Entlassungspapiere.[2]
US-Justiz
Der 54-Jährige ist der 248. unschuldig Inhaftierte, der in den USA nach einer DNA-Analyse freigesprochen wurde. Die hohe Zahl offenbart eine Schwäche in der Justiz: An US-Gerichten wurde lange im Zweifel gegen den Angeklagten entschieden, besonders wenn er schwarz war. Alle zwei Wochen kommt derzeit ein Justizopfer frei. Manche waren sogar zum Tode verurteilt. Aber keiner saß so lange wie James Bain.